Eine „Bastion für Jugendliche“

Im Laufe der Jahre hatten wir uns damit abgefunden: Wir sind ein Innenstadtgymnasium, d.h. wir stehen mitten im Leben der Stadt, was ja durchaus Vorteile hat, wenn man an den Besuch von Museen, Ausstellungen, Behörden oder Firmen denkt, aber auch Nachteile mit sich bringt, denn unser Umfeld macht uns sicher nicht zu einer Oase der Ruhe.



 

Das wurde uns allen noch einmal eindringlich deutlicher, als mit dem U-Bahnbau die Bauarbeiten auf der Kasernenstraße einsetzten und vor unserer Schule der zentrale Versorgungsschacht eingerichtet wurde, durch den letztlich auch die vielbewunderte „Turborine“, der Riesenbohrer, wieder ans Licht des Tages zurückgeholt wurde. Ein grandioses technisches Schauspiel, das in uns die Hoffnung aufkeimen ließ, dass in zwei Jahren, die Kasernenstraße straßenbahnfrei sein würde und die Verkehrsgeräusche vor der Schule vielleicht etwas geringer sein würden. An unsere eigene Straße, die Bastionstraße, dachten wir zunächst gar nicht, denn die war ja „ruhig“...

Es musste schon jemand „von außen“, Frau v. Conta, die Mutter zweier Schülerinnen, kommen, um diese „ruhige“ Bastionstraße einmal kritisch zu sehen: eine relativ schmale Straße, Parkstreifen auf jeder Seite, parkende Autos in Doppelreihe vor dem repräsentativen Haupteingang des Verwaltungsgerichtes, Straßenbahngleise, die im Halbkreis dieses „Ensemble“ durchschneiden - „schön“ ist diese ruhige Straße eigentlich nicht.

Besagte Schülermutter „hatte einen Traum“: Aus dieser Straße könnte eine „Bastion für Jugendliche und Kinder“ werden...

Leider ging es hierbei nicht nach dem Grundsatz „gesagt – getan“. Es bedurfte vieler Anläufe, Kontakte und einer hartnäckigen Überzeugungsarbeit bei den verschiedensten Instanzen der Stadt, bis es schließlich gelang, das Projekt „Bastionstraße“ in die Wege zu leiten, das eine Neugestaltung der Straße zwischen Kasernenstraße und der Kö zum Ziel hatte, so dass auch auch der Straßenabschnitt vor dem Görres – Gymnasium mit einbezogen war.

Geradezu sensationell war allerdings, dass die Schülerinnen und Schüler beider Gymnasien selbst ihre Planungen erarbeiten sollten und dass die besten Entwürfe zum Jubiläum des Luisen – Gymnasiums prämiert werden sollten – und das nicht nur ideell, sondern durch einen Betrag von mehreren tausend Euro (!), der schulischen Zwecken zukommen sollte.

Das war Grund genug, einen Projektkurs „Bastion“ ins Leben zu rufen, der sich aus den Schülerinnen und Schülern beider Gymnasien zusammensetzte. Da es die Fächer „Stadtplanung“ oder „Architektur“ nicht gibt, musste Neuland betreten werden. Die meisten Schülerinnen und Schüler stammten aus dem Fach Erdkunde, von dem man annahm, dass es den anstehenden Aufgaben noch am nächsten lag, aber natürlich erstreckten sich auch viele Gestaltungsaufgaben auf den künstlerischen Bereich. Es musste also experimentiert werden.



 

Die Schülerinnen und Schüler gingen auch mit viel Elan an die Arbeit – und nach der ersten Doppelstunde war die Planung (Fußgängerzone, Sitzgelegenheiten, Brunnen) im Wesentlichen fertiggestellt! - Was sollten wir jetzt noch bis November machen?

Diese Frage wurde uns recht deutlich von unseren Helfern vom Stadtplanungs- und -verkehrsamt beantwortet. Diese besuchten uns wiederholt, um uns einige Grundlagen zur Planung zu vermitteln. Die Stadtplaner verlangten vor allem Visionen und Kreativität von uns, also nicht „Bad Füssing Kurpark“, wie sie etwas verächtlich sagten. Die Verkehrsplaner vertraten eher eine bodenständige Nüchternheit, indem sie unseren ansetzenden Höhenflügen mit bestehenden Vorschriften (Breite der Gehwege, Feuerwehrzufahrt etc.) enge Grenzen setzten. Dennoch fühlen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von den „Profis“ ernst genommen, wie sich bei einem Besuch im Stadtplanungsamt zeigte, wo sie den Fachleuten ihre Entwürfe vorstellen konnten, und in der Diskussion Kritik aber auch Lob erfuhren.

Ganz im Sinne der Verkehrsplaner sollte die Vorgehensweise der Schülerinnen und Schüler auch von grundlegenden Analysen begleitet werden. Dazu gehörte beispielsweise eine Verkehrszählung, um die Beanspruchung der Bastionstraße durch die verschiedenen Verkehrsteilnehmer zu erfassen. Ein Fragebogen wurde entworfen und die Schülerinnen und Schüler der beiden Gymnasien nach ihren Wünschen befragt. Der nächste Schritt bestand aus Gesprächen, welche die Projektteilnehmer mit den anderen Anliegern der Straße - der Bank, dem Bürohaus und dem Verwaltungsgericht – führten, denn auch deren eventuelle Vorbehalte und Interessen mussten berücksichtigt werden.

In einer „Modellbauphase“ bauten die Schülerinnen und Schüler die Straße und ihre „Möblierung“ maßstabsgerecht nach. Eine Gruppe setzte ihre Planung sogar in ein dreidimensionales Computermodell um, von der die Fachleute der Stadt ganz besonders beeindruckt waren. Alle Gruppen haben aber ihre Ideen überzeugend umgesetzt und dargelegt, Kritik angenommen und Änderungen durchgeführt. Die Akzeptanz der „Profis“ von der Stadt entfachte bei den Teilnehmern einen zunehmenden Ehrgeiz und eine verstärkte Ernsthaftigkeit. Die Hoffnung auf die Umsetzung ihres Entwurfes wurde stärker und der Stolz, eines Tages durch „ihre“ Bastionstraße gehen zu können, spielte bei aller äußeren „Coolness“ sicher auch eine Rolle.

Und schließlich, im Oktober 2012, war es dann soweit: eine hochkarätig besetzte Jury aus Vertretern der Stadt und der Anrainer der Straße trat zusammen, um sich von den Schülern und Schülerinnen ihre Entwürfe präsentieren zu lassen.


 

Das gelang diesen auf einer derart beeindruckenden Weise, dass den Fachleuten die Beurteilung schwerfiel. Sie einigten sich auf einen Hauptpreis und drei gleichwertige weitere Preise. Das bedeutete, dass einmal 3000 und dreimal 2000 Euro an die Sieger entfielen – natürlich in gewisser Weise nur „virtuell“, denn das Geld sollte den Schulen und ihren Schülerinnen und Schülerinnen zugutekommen.


 

Dieses allgemeine Glücksgefühl fand seinen absoluten Höhepunkt bei der 175-Jahrfeier des Luisen – Gymnasiums, als den Siegern unter dem tosenden Applaus von über 1000 Zuschauern die Preise vom Verkehrsdezernenten der Stadt Düsseldorf, Herrn Dr. Keller , überreicht wurden.



 

Inzwischen hat der Projektkurs auch den Düsseldorfer Schulpreis gewonnen und sich für den Wettbewerb „Demokratisch handeln“ beworben. - Jetzt erwarten alle mit Spannung das Jahr 2015, in dem nach dem Abschluss der U-Bahn-Bauarbeiten die Umsetzung ihrer Planungen möglich wäre...

 


Dr. Kurt-Jürgen Leers unterrichtet seit 1980 Deutsch

und Erdkunde am Luisen-Gymnasium.

 

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